Der Pellegrino, der Hausberg von Palermo ist ein Natur Reservat, das bedeutet so viel wie keine Bebauungen und Wildnis. Wir gehen entlang der einzigen Fahrstraße, kaum ein Auto, geschweige denn Fußgänger. Eine Polizeistreife parkt am Straßenrand, eine Plane ist zwischen 2 Sträuchern gespannt, ein trockenes Plätzchen für einen Hund. Zwei dunkelhäutige junge Frauen warten auf der gegenüberliegenden Straßenseite unter dem dichten Blätterdach auf einen Freier.
Ein Turm markiert den Eingang zum Wanderweg. Bald geht es steil hinauf, ich rieche den herben Geruch der Macchia, Dornen greifen nach unseren Anoraks. Zwischen den schroffen Felsen öffnen sich Aussichten, unten liegt Palermo unter einem Wolkengemisch.
Die Erde ist feucht, die Steine rutschig. An einem zerfallenen Unterschlupf, ein überraschender Altar.
Auf dem Bergrücken bedeckt das helle Grün des Glücksklee den Boden, ein Pfad führt durch einen hellen Pinienhain auf die geteerte Straße. Sie führt uns zu Rosalia, der Schutzheiligen von Palermo, sie liegt im kalten Fels.Zum Fuße des Heiligtums, locken die Verkäufer mit Granatäpfeln und Orangen, keine Attrappen, sie werden auf Sizilien im Winter reif. Die Buden schützen auch die Lebenden nicht vor der nassen Kälte.
Nur durch Bewegung bleiben wir warm, wir setzen den Rundweg fort. An den Abbruchkanten sind Stahlnetze über den nacken Fels gespannt, Steinschlaggefahr. Tief unten die Küstenstraße, das Meer und der neue Friedhof von Palermo.
Die Symmetrie seiner geordneten Wege und befestigten Urnenreihen, stehen im Gegensatz zu den grauen Hochhauskasernen und der wilden Zersiedlung der Stadt.
Der Pfad führt uns wieder hinunter, die Stämme der Föhren und Pinien sind schwarz, ihr immergrünes Kleid braun, der letzte Sommer war trocken gewesen, der Wald hatte gebrannt.
Zurück in der Stadt, leere Straßen, es nieselt, an einem Platz steigen wir in irgendeinen Bus, wir haben Glück er fährt zum Bahnhof. Erschöpft gehen wir durch den Ballaro, den billigsten Markt Palermos. Die Verkäufer schützen ihre Waren mit Planen, Leute stellen sich beim starken Regen darunter, auch mit Motorroller, schon brechen wieder helle Sonnenstrahlen ein, Graffiti gibt den kahlen Wänden der Abrisshäuser ein Gesicht.
Am Ende der Straße ein alter Glockenturm, auf seiner kleinen Plattform, 40 Meter über der Stadt sehen wir ein Schauspiel aus Licht.
Ich träume und stelle mir vor, dass zu Zeiten der Normannen nur die hohen prächtigen Bauten, wie die alte Kathetrale aus einem Meer von Palmen herausragten, während Straßen, Häuser und Plätze verborgen blieben.In Palermo hat es tagsüber 6 - 8 Grad, Regen mit Böen und Graupel jagen die Menschen von der Straße, sie harren in den Hochhauswaben und füllen die beheizten Hinterräume der Bistros.
Das weiße Straßenpflaster ist rutschig, es bilden sich Pfützen, ich ducke mich unter die Balkone und leeren Markisen der Geschäfte und erreiche das Museum für neuzeitliche Kunst. Hohe Räume, lange Gänge, Innenhöfe, marmorne Treppe, die hohen Fenster sind abgehangen, die Kunstwerke nur spärlich beleuchtet. Innen ist es genauso kalt wie draußen.Viele Landschaftsbilder erzählen von dem langen heißen Sommer, alte Olivenbäume, Kühe werden über die Landstraße getrieben, Fischer tragen ihre Netze über den Strand in gleißendem Licht. Lange betrachte ich ein Gemälde aus dem letzten Jahrhundert, eine bekannte Straßenszene in Palermo, auf der breiten Via Vittorio Emanuele gehen Männer und Frauen schnellen Schrittes, Hüte heruntergezogen, Krägen hochgeschlagen, ihre Kinder an der Hand, im Hintergrund das neue Stadttor "nuova porta". Das gleiche Wetter wie in den letzten Tagen, auch ich renne eilig durch das Stadttor, passierte die wild befahrende Piazza Independenza um möglichst schnell, mit klammen Fingern die Wohnung zu erreichen. Gestern schon suchten wir nach einem geeigneten Ausflug für solche Tage.
Abwechslung suchen wir unterhalb des alten Jesuitenklosters "Cappuchini". Auf dem Weg in den Gassen, "eine kleine Spende für die Toten" die Palermitaner haben Humor. In den Katakombenangezogene Skelette, sortiert und ausgestellt nach weltlichem und kirchlichem Stand, Männer, Frauen und Kinder getrennt. Die Attraktion, ein zweijähriges Mädchen, die kleine Rosalia, ist in einem gläsernen Sarg ausgestellt. Sie wurde vor etwa 100 Jahren so meisterlich einbalsamiert, in der Stirn die hellen Löckchen, als würde sie nur schlafen, ein Schneewittchen. Es lebt schon lange niemand mehr der sich an sie erinnern könnte.Der kleine Friedhof des Klosters wirkt dagegen freundlich, die marmornen Tafeln, darauf steinerne Bücher mit den letzten Fotos der Allerliebsten, Skulpturen und kleine Mausoleen deren Dach der Himmel bildet.
Auf dem Weg ein kleines warmes Restaurant, solche findet man viele in Palermo, schon seltener eines ohne Schutzgeld für die Mafia, "addio pizzo."Egal welches Wetter es morgen haben wird, wir werden uns ein Auto mit Heizung mieten und über Land fahren, wohin wissen wir noch nicht.